Wenn Frauen zu viel weinen - "Volver" von Pedro Almodóvar

Pedro Almodovar gilt als der Frauenversteher unter den Filmregisseuren. Falls er Frauen tatsächlich bewundern, lieben und für die grundsätzlich besseren Menschen halten sollte, hat er ihnen mit "Volver" jedoch einen Bärendienst erwiesen.
Das positive Frauenbild ist hier bis zur Karrikatur verzerrt. Frauen rackern sich für ihre nichtsnutzigen Männer ab, putzen und kochen, richten die Gräber ihrer seligen Verwandten, sie frisieren sich gegenseitig die Haare, sie pflegen andere bis zu deren Tode - und all das machen sie nicht nur klaglos, sondern gerne.
Frauen helfen sich bis zur Selbstaufgabe, sie lieben sich, sie geben ihr letztes Hemd für einander her, sie können alles miteinander bereden und falls sie - wie konnte das nur geschehen! - die andere einmal doch verletzen, dann sind sie selbstverständlich fähig, zu verzeihen.
Ach ja, etwas tun die Frauen in "Volver" ausgiebig: weinen. Sie weinen unablässig in jeder Szene. Während die Frauen miteinander reden, einander helfen und verzeihen, weinen sie und weinen und weinen.
In "Volver" sieht man ausschließlich Frauen (die wenigen Männer des Films werden entweder recht schnell getötet oder reisen schon am Anfang von alleine ab) dabei zu, wie sie reden, weinen oder beides zugleich tun. Wäre die größte Sensation in diesem Film nicht Penélope Cruz´Ausschnitt, dann wäre das Hörspiel eigentlich die perfekte Form für "Volver".
Die Handlung ist dicht und ereignisreich: Die Tante von Raimunda (Cruz) und Sole (Lola Duenas) stirbt. Die Nachbarin Agustina (Blanca Portillo) hat die Leiche der Tante entdeckt und behauptet, der Geist von Raimundas und Soles Mutter hätte sie alarmiert. Agustina ist selbst schwer krebskrank und versucht die Schwestern zu überreden, ihren "mütterlichen Geist" nach dem Verbleib ihrer eigenen Mutter zu befragen.
Raimundas Tochter Paula (Yohana Cobo) tötet derweil ihren zudringlichen Vater. Nun muss seine Leiche beseitigt werden, die man, bis das Problem angegangen werden kann, in der Gefriertruhe des leerstehenden Restaurants des Nachbars versenkt.
Zufällig dreht in der Nähe auch ein Filmteam, das eine Verpflegungmöglichkeit sucht und nun kann Raimunda das Restaurant außer als Leichenkühlhaus auch noch als illegalen Cateringservice nutzen.
Außerdem muss Raimunda von Schwester und Tochter langsam darauf vorbereitet werden, dass die Mutter (Carmen Maura) zwar tatsächlich zurückgekehrt ist, jedoch nicht als Geist, sondern in Fleisch und Blut. Mit ihrer Rückkehr klärt sich alles: das Familiengeheimnis, die Beziehung zwischen Raimunda und ihrer Mutter, die Vaterschaft der Tochter Paula und das Verschwinden von Agustinas Mutter.
All das vollzieht sich unter endlosem Reden und Weinen - und deshalb rührt einen der Film nicht an. Dem Zuschauer wird jedes Rätsel und jede Spannung vorenthalten, weil alles schon lange vorher von den Protagonisten besprochen wurde. Keine Handlung bleibt unkommentiert und jedes Gefühl, das man als Zuschauer entwickeln könnte, wird schon vorher ausbuchstabiert und vorgeführt. Die Interpretationslust der Zuschauer wird in die Zwangsjacke der Eindeutigkeit gesteckt: Jeder Charakter ist genau so, wie er gezeigt wird und entwickelt im Laufe des Films auch nicht den Hauch von Ambivalenz. Zum Heulen.
G.M.

Volver (2006) 120 min
Regie: Pedro Almodóvar
Buch: Pedro Almodóvar
Kamera: José Luis Alcaine

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Zuletzt aktualisiert: 7. Jul, 17:05

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